Bildkritik – Teil 2

Zur Erinnerung: Auch in Teil 2 geht es noch um dieses Bild.
Zur Erinnerung: Auch in Teil 2 geht es noch um dieses Bild.

Nachtrag: Dem Leser dieses Artikels wird auffallen, dass das erwähnte zu kritisierende Bild fehlt. Ich habe es aus Kulanz, aber ungern, entfernt. Mir ist klar, daß die Verständlichkeit dadurch deutlich leidet.

Grund war nicht etwa der Urheber (dessen Genehmigung ich wie erwähnt habe), sondern die argumentlosen Beschwerden des Models und des „Studio“inhabers. Wer sich dafür bedanken möchte: kurze Nachricht an mich, ich versuche dann gern, das weiter zu geben.

Zur Klarstellung: Beide haben nach meiner Auffassung keinerlei rechtlichen Anspruch darauf.
Das Model hat in einem Vertrag auf Ihr Recht am eigenen Bild verzichtet. Die Tatsache, daß ihr die selben Nutzungsrechte wie dem Fotografen eingeräumt wurden, ist aber nicht mit einer (nicht übertragbaren) Urheberschaft oder gar einem Exklusivrecht gleich zu setzen.
Der „Studio“besitzer hat ebenfalls keine Urheberschaft oder Miturheberschaft an dem Lichtbildwerk. Der dünne Hintergrund dürfte auch vor keinem Gericht als urheberrechtlich geschützes Werk gelten -da hilft auch eine Drohung mit einem Anwalt mir gegenüber nichts.

Teil 1 befasste sich mit Kritik und Hinweisen zum Hintergrund und zur Beleuchtung. In Teil 2 werde ich auf das Posing und das Styling/Outfit in dem Bild eingehen – als letztes dann noch ein paar Worte zur Perspektive.

OK, um ehrlich zu sein, würde kein professioneller Photograph dem Beispielbild den Titel „Fashion-Foto“ zugestehen – auch, wenn ich es seit Anfang dieser Kritikserie es so bezeichne. Ich tue das, weil die meisten Amateure sich ein Fashion-Foto so vorstellen und weil ich versuche, das Foto unter diesem Anspruch zu kritisieren.
Das kann man nicht, ohne über den Hauptgrund zu reden, warum es nicht als Fashion-Foto durchginge.

Der Grund ist das Outfit, das offensichtlich aus der Requisiten- oder Kleiderkammer des Fotografen oder Modells zusammengestellt wurde.
Das muß nicht zwangsläufig ein k.o.-Kriterium sein, wenn die Auswahl nicht trivial ausfällt (was, zugegebenermaßen, alles andere als leicht ist und auch mir nicht immer gelingt!).

Modefotos zeigen (neue) Modetrends (wie Farben), Entwürfe oder Kollektionen von Designern (oder Versandhäusern), Stylingtipps oder überraschende modische Kompositionen.

Leggins, T-Shirt und Lederjacke erfüllen das leider nicht, auch nicht in Kombination mit hohen Schuhen und einer schlichten schwarzen Tasche.

Schwierig, aber entscheidend, ist also der Unterschied zwischen dem Foto eines „Modells in Kleidung“ und einem Modefoto.

5. Unpassende Kleidung – Abhilfe: Outfit / Zusammenstellung ändern

Sehen wir davon für den Moment ab und analysieren das Outfit im Detail, um konstruktive Verbesserungsvorschläge zu machen. Das folgende ist natürlich etwas subjektiv gefärbt und beruht auf meiner Erfahrung.

Hohe Schuhe sind für Modefotos immer eine gute Idee (siehe: 11 Regeln!), denn sie verlängern optisch die Beine.

Allerdings passen diese hier stilistisch m.M.n. nicht zu einer Lederjacke und den Leggins. Ebenfalls problematisch ist in dieser Kombination die Farbe. Ich versuche stets, bei Outfits immer eine gewisse Linie beizubehalten. Zu dieser Linie gehört auch, dass sich eine verwendete Farbe an anderer Stelle des Outfits wiederfinden sollte (Ausnahmen bestätigen die Regel, z.B. pinke Schuhe bei schwarzem Outfit als außergewöhnlicher Kontrastpunkt).

6. Farblich nicht passende Schuhe – Abhilfe: Schuhe auf das gesamte Outfit abstimmen

Schmuck ist wichtig für den Gesamteindruck bei einer lifesytligen Aufnahmen wie für einen Katalog. Davon abgesehen passt er aber selten, z.B. um eine „kahle Stelle“ bei einem Outfit mit einer Kette zu füllen. Hier wirkt er deplaziert und das Outfit überfüllt.

7. Outfit wirkt überladen – Abhilfe: Schmuck für Modeaufnahmen tendenziell lieber weglassen

Der letzte Punkt, den ich bezgl. des Stylings/Outfits ansprechen möchte, betrifft den Zweck des Fotos. Es ist nicht klar, um was es in dem Foto geht, was „verkauft“ werden soll (siehe: 11 Regeln!). Ist das Hauptmotiv die Tasche, die Jacke, die (farblich gegen das Outfit ja etwas – aber nicht genug – heraustechenden) Schuhe?

8. Motiv/Bildzweck unklar – Abhilfe: das zentrale Motiv mit Licht und/oder durch Positionierung im Bild herausarbeiten; klareres Outfit (z.B.: Tasche weglassen)

Posing ist eines der Themen, für das sich Fotografen besonders interessieren und um das sie sich am meisten sorgen (zum größten Teil zu unrecht). Um auf das Posing einzugehen, bemühe ich wieder mein Beispielbild aus dem Archiv.

Die Linienführung im Bild, die durch das Posing entsteht, habe ich hier mit roten Linien skizziert.
Die Linienführung im Bild, die durch das Posing entsteht, habe ich hier mit roten Linien skizziert.

Der Bildaufbau auf den Bildern wird stark vom Posing und die dadurch entstehenden „Linien“ geprägt.
Während die angedeutete „S“-Kurve rechts Dynamik und Spannung ins Bild bringt wirkt das Bild links durch die nach unten gerichtete Linienführung schwer und schwunglos. Der die gerade herabhängende Tasche haltende Arm verstärkt diesen Eindruck noch weiter.

9. Bildwirkung „schwer“ und undynamisch – Abhilfe: „gerade“ Linienführung (strikt vertikal oder horizontal) durch anderes Posing vermeiden

Die Oberkörperform, die das Modell auf dem Bild optisch bekommt, ist rot skizziert. Die blaue Fläche zeigt die Form, die eher der Realität entsprechen dürfte.
Die Oberkörperform, die das Modell auf dem Bild optisch bekommt, ist rot skizziert. Die blaue Fläche zeigt die Form, die eher der Realität entsprechen dürfte.

Ein weiteres Problem des Posings fällt mir am Bild auf (davon ist auch mein Beispiel nicht 100% frei): Der durchgedrückte Rücken ist prinzipiell keine schlechte Idee für ein dramatischeres Posing. Sehr kritisch ist das aber, wenn das umgebende Kleidungsstück weit ist und entgegen der Oberkörperposition einfach nach unten herabhängt – so wie das bei der offenen Lederjacke der Fall ist.
Dadurch wirkt das Modell viel breiter/dicker, als sie sicherlich ist (siehe Skizze).

Deshalb ist es generell schwer, weite Kleidung zu fotografieren, ohne dass das Modell unvorteilhaft wirkt.  Man sollte dann versuchen, den Körper der Fallform anzupassen. Bei der Jacke wäre auch eine etwas frontalere Position möglich, bei der man in die Jacke „hineinsehen“ und Kleidung und Figur besser voneinander getrennt sehen kann.

10. Figur wirkt unvorteilhaft – Abhilfe: Rücken weniger durchdrücken; Perspektive ändern (frontaler)

Damit wären wir schon beim letzten Punkt, der Perspektive. In den 11 Regeln gibt es gleich 2 die einen Tipp geben, welche Position für Modefotos gut geeignet ist und diese hätte ich auch in diesem Fall bevorzugt: Eine Aufnahme von unten, die die Beine optisch verlängert. An meinem Archivbild (siehe oben) sieht man den Unterschied.

Die Perspektive von unten hat noch einen weiteren Vorteil: Wir sind aus dem täglichen Sehen eine Perspektive aus unserer Augenhöhe gewohnt und auch deshalb fotografieren viele Beginner bevorzugt aus derselben Sichthöhe. Das wirkt aber auf den Betrachter meist langweilig. Andere Perspektiven machen die Fotos spannender.

11. Perspektive wirkt etwas langweilig, Beine etwas kurz – Abhilfe: Perspektive wechseln, Untersicht verlängert Beine optisch

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