Ist ein Fotograf ein Künstler oder ein Handwerker? Bei der Antwort ist sich keiner so richtig einig, vor allem nicht der deutsche Staat. Ich erzähle sicher nichts neues, wenn ich daran erinnere, dass „Fotograf“ sowohl ein eingetragener Handwerksberuf ist, als auch in der Liste der Freien Berufe steht, vom Begehren des Gewerbeamtes mal ganz abgesehen. Formell also alles ein großes Kuddel-Muddel. Vom Oxymoron des „Kunst-Handwerkers“ fange ich lieber gar nicht erst an. Aber um Formalitäten und staatliche oder steuerliche Einstufungen soll es hier gar nicht gehen. Ich bin nämlich kein Steuer- oder Wirtschaftsberater, sondern Künstler.
Ich bin als Fotograf Künstler.
Ja, ich hab das böse K-Wort gesagt. Natürlich rede ich nur über meinen ganz eigenen, persönlichen Status. Damit beziehe ich mich aber gar nicht auf eine behördliche Einstufung, oder ein verbrieftes Zertifikat. Ich beziehe mich auf mein Selbstverständnis, auf meinen Anspruch, auf meine selbst auferlegte Verantwortung. Leicht mache ich es mir damit nicht. In meiner Familie war es irgendwie schon immer so, wie bei wahrscheinlich vielen: Kunst wurde sehr geschätzt – so lange es die anderen machen. Denn mit den Schattenseiten des Künstlerseins wollte man nichts zu tun haben. Mit den ständigen Selbstzweifeln. Mit der total desaströsen wirtschaftlichen Aussicht und Lage. Mit dem ständigen Kampf um Anerkennung, um Relevanz, um Aussagekraft.
Ich bin als Fotograf kein Handwerker.
Selbstzweifel gibt es auch ständig bei dieser Frage: Bin ich WIRKLICH Künstler, kein Handwerker? Schließlich gibt es viele Hinweise auf das Gegenteil. Was definiert denn für Euch einen Handwerker? (gerne Antwort darauf in den Kommentaren!)
Ich studier(t)e ausgiebig jedwede Fototechnik. Seien es Kameras, Blitze, Lichtformer, Objektive oder weniger Gegenständliches wie Bildaufbau, Beleuchtungstechniken, Styling, die Psychologie der Bildbetrachtung, Perspektive (nicht abschließende Liste). Verdammt, ich hab sogar Bücher und Artikel mit solchen Schwerpunkten geschrieben!
Kann aber nicht auch ein Künstler seine Arbeit beherrschen? Alles wissen über die Werkzeuge, mit denen er arbeitet? Man sagt, man muss die Regeln kennen, um sie zu brechen. Klingt Regeln brechen aber nach einem Handwerker?
Ich habe mich auch mit den Mitteln und Methoden (vor allem der Beleuchtung) von Malern beschäftigt. War Rembrandt eigentlich Handwerker?
Ein weiterer Hinweis: Ich erstelle auch Arbeiten auf Kundenwunsch. Portraits, Modefotos, Aktaufnahmen, sogar Innenräume! Hat Da Vinci allerdings übrigens auch. Also … vielleicht nicht die Innenräume. Das vermutlich kaum bekannte Werk „Mona Lisa“ war eine Auftragsarbeit.
Allerdings: Kein Kunde kann bei mir eine bestimmte Aufnahme bestellen. Er kann nur den Aufnahmebereich oder gewünschten Verwendungszweck eingrenzen, die grundsätzliche Richtung in die es gehen soll. So sind meine Kunden u.A. Models, Designer oder Magazine. Ich bin Werbefotograf. Die Innenräume widerrum waren allesamt für Interieur-Magazine bestimmt (also Journalismus … ?). Gebucht werde ich letztlich für meine Stil, mein Auge, die Emotionen die ich transportiere. Nicht dafür, etwas „nur“ abzubilden.
Ich erschaffe als Fotograf Kunst. Ich erschaffe als Fotograf Kunst?
Kommen wir also nochmal zurück zum Selbstverständnis. Ich hatte schon immer irgendwie das Gefühl, eigentlich zu „kommerziell“ für einen Künstler zu sein. Und zu „künstlerisch“ für einen kommerziellen Fotografen. Wirklich geändert hat sich das bis heute nicht. Geändert hat sich mein Verständnis von Kunst aber vielleicht ein bißchen.
Kunst muss Emotion auslösen, etwas bewegen.
Das komplizierte, nervige und schöne an Kunst ist, dass sie sich verdammt gern und erfolgreich einer anständigen Definition entzieht. Schreibt mir gern Eure Definition oder Auffassung in die Kommentare!
Für mich muss Kunst Emotion auslösen, etwas bewegen.
Der meiner Meinung nach weit verbreitete Irrglaube ist, dass Kunst eine sehr direkte, deutliche und sichtbare Aussage haben muss. Kommen wir dabei nochmal kurz zur Mona Lisa zurück: Hat Leonardo da Vinci damit die Gefährlichkeit von offenen Flammen angesprochen? Die zeitgenössische Standespolitik kritisiert? Selbst wenn man davon ausgeht, dass ihm der Künstlerstatus erst viel später von Kunsthistorikern angedichtet wurde, würden selbst die eine so profunde Aussage nicht behaupten.
Aber das Bildnis bewegt etwas in vielen Menschen. Erschaffen hat er diese Wirkung auch, aber nicht nur mit handwerklichem Geschick. Er nutzte seine Werkzeuge wie kein anderer, fing durch die Nutzung aber auch ein gewisses je ne sais quoi (frz.: „ich weiß nicht, was“) ein.
Ich behaupte also, zu Kunst gehört Emotion, Individualität, ein Konzept, Fingerspitzengefühl, ein Erschaffenswille. Das nehme ich für meine Werke auch in Anspruch. Ich möchte, dass die Bilder mehr als nur „schön“ sind, Persönlichkeit oder Aussage haben – von mir oder dem aufgenommenen Subjekt.
Künstler sein ist eine Einstellung
Mein Verständnis davon, ob ich als Künstler Fotograf und als Fotograf Künstler bin, hat also sehr viel mit der eigenen Einschätzung und Perspektive zu tun. Wie ist mein Herangehen an die Schaffung von Bildern? Warum mache ich das Ganze, was erhoffe ich mir davon? Wenn es mich mal bei einem blöden Autounfall, Herzinfarkt, Pandemie oder anderem Unsinn erwischt, was möchte ich, dass von mir bleibt und was möchte ich erreicht haben?
– Menschen berühren, zum Nachdenken bringen, den Tag verschönern, das Weltbild erschüttern, inspirieren, auf ihrem eigenen Weg voran bringen – wäre ein Teil meiner Antwort.
Was ist Eure Antwort?
Bis hoffentlich bald, Euer
MiGel
Künstler. Sagt er jedenfalls.