Review: Canon „Aufklappblitz“ für Vollformat

Anders als Nikon hat es Canon bisher nicht geschafft oder gewollt, eine hauseigenen „Vollformat“-Kamera mit ausklappbarem Blitz auszustatten.

Begründet wird das oft mit dem „Profis brauchen keinen Ausklappblitz“-Paradigma. Das ist natürlich Unsinn. Zum einen setzt es voraus, dass Vollformat-Kameras nur von Profis genutzt werden. Die Realität aber sieht anders aus, spätestens seit „Einsteiger-Vollformatern“ wie der EOS 6D. Zum anderen ignoriert es Situationen, in denen der Aufklappblitz auch von Profis gern zum Aufhellen benutzt wird – oder würde. Klar, Aufsteck-Speedlights erfüllen diesen Zweck auch, aber: Sie kosten extra Geld (und nein, nicht jeder hat und braucht solche Blitze automatisch als Profi), sie machen die Kamera deutlich unhandlicher und schwerer und sie brauchen extra Platz im Reisegepäck. Schlecht für Street-Photographen, Reisephotographen u.Ä.

Alternative

Deshalb möchte ich Euch eine brauchbare Alternative zu den bekannten Speedlights (Canon 400/500/600EX-Serie und deren Fremdhersteller-Alternativen) vorstellen, die einem Aufklappblitz schon bedeutend näher kommt.
Denn deutlich unbekannter ist das untere Ende der Speedlite-Riege bei Canon, zu denen der 270EX (II) gehört. Dieser wohl eher für die kleineren Kameras wie der Canon G-Serie oder der EOS M konzipierte Blitz ist auch eine sehr interessante Alternative für alle Vollformater.

Canon_Speedlite_270EX_01

Er trägt sowohl in der Höhe (ca. 6,5 cm) als auch beim Gewicht kaum auf. Der 270er bringt ca. 155g ohne Batterien auf die Waage. Zum Vergleich: der 430EX II wiegt mit 320g ohne Batterien gut das doppelte – und braucht doppelt so viele Batterien (4)! Dieses kleine Schnuckelchen dürfte mit in JEDE Kameratasche passen.
Logisch, dass man in einigen Punkten Abstriche gegenüber der 400er-Serie machen muß. So fehlt ein motorisierter Zoom, die Leistung ist etwas(!) geringer, es sind kein Display und fast keine Bedienelemente vorhanden. Damit wirkt er auf den ersten Blick nicht nur sehr handlich, sondern auch sehr spartanisch. Doch der Eindruck täuscht.

Features

Über das Menü aller moderneren Canon DSLRs lässt sich der Blitz nämlich sehr wohl recht umfangreich einstellen. Dort ist im Automatikmodus (E-TTL II) eine Blitzlichtkorrektur möglich, ebenso die Wahl des 1. und 2. Verschlußvorhanges und der Kurzzeitsynchronisation. Zusätzlich lässt sich (anders als bei Aufklappblitzen) ein voll manueller Modus wählen und dort die Leistung von Voll in Drittelstufen bis auf 1/64 herrunterregeln.

270 EX _ Menu 1 270 EX _ Menu 2 270 EX _ Menu 3

AF-Hilfe wird allerdings wie bei den Aufklappblitzen nur über ein Blitzfeuerwerk geleistet – immerhin.
Ein paar große Vorteile gegenüber den Aufklappblitzen bringt der 270EX auch noch mit: neben mehr Leistung und unabhängiger Batterieversorgung sind das vor allem der manuelle 2-Stufen-Zoom (28mm und 50 mm) und die Möglichkeit, den Blitz auch indirekt gegen die Decke zu verwenden (!!!). Dafür lässt sich die Front des Lichtwerfers in mehreren Stufen nach oben klappen.

Canon_Speedlite_270EX_03 Canon_Speedlite_270EX_04 Canon_Speedlite_270EX_05

Das Aufladen der Kondensatoren erfolgt, wie bei den neueren großen Brüdern des 270 EX auch, praktisch lautlos.

Der aktuelle 270 EX II kann zudem als E-TTL-Slave verwendet werden und fungiert auf Wunsch als IR-Auslöser. Mit ersterer Funktion lässt sich das Gerät kabellos mit Hilfe von E-TTL-Mastern steuern und auslösen. Allerdings steht nur die Gruppe A zur Verfügung und es wird auf allen 4 Kanälen empfangen. Mehrere der Kleinblitze unabhängig zu regeln geht mit dieser Technik also nicht, außerdem ist die „Empfangszelle“ nur auf der Vorderseite angebracht und nicht schwenkbar, was den Einsatz weiter einschränkt.
Die IR-Funktion funktioniert genau wie die Canon-Fernbedieungen: über einene Knopf an der Seite lässt sich eine mit IR-Empfänger ausgerüstete Kamera auslösen.

Natürlich lässt sich der 270 EX (ohne II) ebenso ferngezündet einsetzen – nur eben ohne Automatik und mit weiterem Zubehör. Im manuellen Modus auf der Kamera konfiguriert, läßt er sich über Funksender und -empfänger genauso handhaben wie jeder andere manuelle Blitz. Einstellungsänderungen sind aber nur über das Aufsetzen und Menü der Kamera möglich. Der Winzling lässt sich im Ausgleich nahezu überall unterbringen und verstecken.

Leistung

Bei den vielen doch recht verwirrenden Angaben um „Blitzleitzahl“ und deren Abhängigkeit von ISO, Abstand, Brennweite usw. interessierte mich, wie sich der 270EX denn nun wirklich real gegen bekanntere Blitze schlägt. Um das rauszufinden, habe ich simple Praxistests mit einem kleinen Aufbau gemacht.

Dazu habe ich eine Kamera mit dem jeweiligen Blitz bestückt und in ca. 2 m Entfernung (grob mit Maßband gemessen) meinen treuen Sekonic L-758DR* aufgestellt. Eine Reflektionsfläche dahinter half mir, die Kalotte möglichst im Zentrum des Blitzlichts zu positionieren.
Die Blitze wurden manuell auf max. Leistung gestellt.
Ich testete den 270EX bei 28 und 50mm-Zoomeinstellung und den 580EX II mit denselen Werten. Dazu kam der Aufklappblitz einer EOS 40D (die steht übrigens zum Verkauf), weil so ein Lichtwerfer ja der primäre Konkurrent des 270EX ist. Hier mußte ich etwas tricksen, da der nur über E-TTL zu betreiben ist. Ich erspare Euch die Details, aber auch den habe ich bei max. Leistung gemessen (Ja, den HAUPTblitz). Der Zoom war dabei natürlich nicht verstellbar.

Hier die Ergebnisse:

Der Aufklappblitz der EOS 40D: Blende 5.6
Der Aufklappblitz der EOS 40D: Blende 5.6

Leistung des Speedlite 580 EX II bei 28mm: Blende 13 (+1/10)
Leistung des Speedlite 580 EX II bei 28mm: Blende 13 (+1/10)

Leistung des Speedlite 580 EX II bei 50mm: Blende 16 (+2/10)
Leistung des Speedlite 580 EX II bei 50mm: Blende 16 (+2/10)

Leistung des Speedlite 270EX bei 28mm: Blende 9
Leistung des Speedlite 270EX bei 28mm: Blende 9

Leistung des Speedlite 270EX bei 50mm: Blende 10 (+1/10)
Leistung des Speedlite 270EX bei 50mm: Blende 10 (+1/10)

Bei 28 mm liegt der 580EX II also nur etwas mehr als 1 Blende vorn. Der Aufklappblitz dafür 1 1/3 Blenden hinten. Bei 50 mm verliert er wegen des fehlenden Zooms natürlich noch mehr. Der 580 EX II kann sich mit stärkerem Zoom allerdings noch ein wenig weiter absetzen.

Letztendlich aber ist die Leistung des kleinen Speedlite insgesamt deutlich besser, als man wohl erwarten würde – angesichts der Bezeichnung. Zu vergessen ist dabei ja auch nicht, dass nur 2 statt 4 Batterien gebraucht werden.

Canon_Speedlite_270EX_06

Fazit

Der Canon Speedlite 270EX (II) ist eine tolle Ergänzung zu jeder Vollformatkamera, die nur gelegentlich mal etwas Aufhelllicht braucht. Etwas größer und umständlicher als ein Aufklappblitz, bietet er jedoch auch deutlich mehr Funktionen, Flexibilität und Leistung. Dennoch ist der Größen- und Gewichtsunterschied zu „vollwertigen“ Speedlites viel größer, der kleine Bruder trägt im Vergleich kaum auf und passt sicher in jede Tasche.
Wer schnelle Blitzfolgen braucht und den Aufheller regelmäßig einsetzt, sollte aber natürlich doch zu einem größeren Modell greifen. Diese sind auch etwas direkter und schneller zu bedienen.
Das Nachladen bei voller verschossener Energie dauert auch einen Moment, da sind 430, 580 oder 600 EX natürlich schon fixer. Aufsteckblitze hingegen sind sicher nicht schneller.

Klingt insgesamt fast nach der Nonplusultra-Lösung für das Aufklappblitz-Problem. Ja, FAST. Der große, große Nachteil ist der Preis. Neu liegt ein 270 EX II* bei rund 150 Euro (!).
Ziemlich heftig, da kommt man schon in Reichweite sehr gut ausgestatteter „großer“ Aufsteckblitze von Drittherstellern.
Deshalb empfehle ich, nach gebrauchten Geräten Ausschau zu halten. Ich selbst habe mir einen 270 EX zugelegt, also das ältere, nicht mehr neu erhältliche Modell. Dem fehlen nur die E-TTL-Slave-Fähigkeit und der IR-Auslöser.

Ist das für Euch eine gute Lösung? Oder habt Ihr eine bessere? Oder ist das „Problem“ für Euch keines?

Canon_Speedlite_270EX_02

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