Der Mythos der Zebra-Reflektoren

Reflektoren sind ein gern genutztes und empfohlenes Mittel zur Lichtsteuerung. Das ist verständlich, sind sie doch meist günstig zu bekommen (vor allem im Vergleich zu Blitzen), stromunabhängig und relativ einfach zu verwenden.

In der Vergangenheit gab es vor allem 3 verschiedene Oberflächen für Reflektoren, die sich in ihrer Wirkung und damit den Anwendungsszenarien unterschieden: Silber, Gold und Weiß (schwarz lasse ich außen vor, da es sich dabei genau genommen nicht um einen Reflektor, sondern einen Absorber handelt).

Ausleuchtung im Schatten mit (neutralem) Silberreflektor. Man achte auf Haut- und Hintergrundfarbe!
Ausleuchtung im Schatten mit (neutralem) Silberreflektor.
Man achte auf Haut- und Hintergrundfarbe!

Silber reflektiert Licht recht gut, hat also eine hohe Ausbeute. Das reflektierte Licht ist zudem relativ direkt, kann also etwas hart wirken. Das merkt man vor allem im direkten Vergleich mit Weiß, das dazu neigt Licht undifferenzierter zu streuen und zudem mehr Licht schluckt und so weniger auf das Motiv umlenkt als der glitzernde „Bruder“.
Gold verhält sich sehr ähnlich wie Silber, mit dem Unterschied, dass es die Farbtemperatur des reflektierten Lichts ein kräftiges Stück hin zum „warmen“ Spektrum verschiebt.

Ein leider sehr weit verbreiteter Irrtum resultiert aus letztgenannter Farbtemperaturänderung: Viele glauben, Silber würde die Farbtemperatur zu kalt hin ändern (während Weiß neutral ist). Das ist (normalerweise) falsch. Ein guter Silberreflektor ändert die Temperatur des zurückgeworfenen Lichts nicht. Das „gut“ muss betont werden, da es sehr wohl denkbar ist, das schlechte Reflektoren (und zwar sowohl silberne als auch weiße) sogenannte „optische Aufheller“ beinhalten. Diese verschieben die Farbtemperatur tatsächlich etwas ins blaue Spektrum, weil wir Menschen das dann (sowohl auf der Oberfläche als auch der Reflektion) als noch heller interpretieren. Absoluter Standard ist dieser Trick beispielsweise beim Blatt Papier, das praktisch nie wirklich richtig weiß ist.
Nebenbei ist deshalb ein weißes Blatt Papier nicht die genaueste Quelle für einen Weißabgleich…

Ein Goldreflektor „wärmt“ also das zurückgeworfene Licht kräftig auf. Das ist durchaus beliebt bei Stilllife- und (stimmungsvollen) Produkt-Aufnahmen. Die mehr orange gefärbten aufgehellten Bereiche oder Schatten erzeugen eine heimelige Stimmung und das so entstandene Mischlicht kann sehr interessant wirken.

Eine Zeit lang war das auch für Portrait-Aufnahmen sehr beliebt, weil es eine gesundere, braunere Hautfarbe „vorgaukelt“. Schnell gewann aber bei vielen die Einsicht, dass der Orange-Ton zu stark und unnatürlich wirkt.

Ausleuchtung im Schatten mit (simuliertem) Zebrareflektor. Die Hautfarbe des Models ist "wärmer", der Hintergrund bleibt identisch zum letzten Beispiel.
Ausleuchtung im Schatten mit (simuliertem) Zebrareflektor.
Die Hautfarbe des Models ist „wärmer“, der Hintergrund bleibt identisch zum letzten Beispiel.

An dieser Stelle entwickelten clevere Hersteller eine Alternative, die Zebra-Oberfläche. Das Versprechen: Hohe Lichtausbeute bei gleichzeitig „gesünderen“, wärmeren Hauttöne ohne den heftig orangen Stich. Zielgruppe sind dementsprechend auch vor allem Portrait- und Hochzeits-Fotografen.
Den griffigen Namen bekommt der Bezug durch seinen Aufbau. Wie bei einem Zebra sind unterschiedlich farbige Streifen (silber/gold) direkt nebeneinander aufgebracht, um die Wirkung der zwei einzelnen Oberflächen effektiv zu kombinieren.
Und ja, das funktioniert. Der Zebra-Reflektor ist, dank der hoch reflektierenden Oberfläche, natürlich ähnlich effektiv (und harsch) wie ein Silber- oder Gold-Reflektor. Die Farbtemperatur-Aufwärmung ist aber deutlich geringer als bei Gold.

Was aber gern vergessen oder ignoriert wird ist, dass durch einen Zebra-Reflektor immer noch eine Mischlicht-Situation erzeugt wird! Egal welche Farbtemperatur das reflektierte Licht hat, es ist unweigerlich kälter als das reflektierte. Im Bild sind aber eigentlich immer beide Lichtarten wirksam und sichtbar.
Bei der Studioaufnahme ist das oft auf dem Motiv direkt, man hat hier also unterschiedliche Farbtemperaturen direkt auf dem Motiv. Das kann man als Effekt einsetzen, wie jeder Effekt ist das aber nichts für „jeden Tag“ und weit entfernt von farbkorrektem Arbeiten.

Wieder der (simulierte) Zebrareflektor, diesmal mit "korrektem" Weißabgleich beim Modell. Der Hintergrund wird damit im Vergleich zu den anderen Bildern "kühler".
Wieder der (simulierte) Zebrareflektor, diesmal mit „korrektem“ Weißabgleich beim Modell.
Der Hintergrund wird damit im Vergleich zu den anderen Bildern „kühler“.

Man hat im Grunde 2 Optionen: Entweder stellt man den Weißabgleich an der Kamera bzw. im RAW so ein, dass die mit Reflektor aufgehellten Bereiche „korrekt“ sind, dann sind aber die direkt beleuchteten Teile zu „kalt“/blau. Oder man stellt den Abgleich auf den anderen Bereich ein, dann sind die aufgehellten zu „warm“/orange.
Am häufigsten verwendet wird der Zebra-Reflektor aber wohl ohnehin draußen und mit Available Light.
Da steht z.B. das Modell im Schatten eines Baumes, während im sonstigen Park die direkte Sonne brennt. Diese für Kameras oft nur schwer beherrschbare Hochkontrast-Situation lässt sich mit einem Reflektor deutlich entschärfen, dazu das Licht aktiv (um)lenken, um das Modell gezielter und kontrollierter auszuleuchten. Dafür nutzt man natürlich das direkte Licht, dass über den Reflektor auf das Modell gelenkt wird.
Verwendet man hier nun den Zebra-Reflektor, ist das auf das Modell treffende Licht wärmer (orangener) als das, was auf die sonnige Umgebung fällt. Ist diese Umgebung nicht im Bild, ist die reflektierte Lichtfarbe eigentlich völlig egal, da sich die Farbtemperatur dann direkt für die Aufnahme einstellen lässt, auch etwas wärmer, wenn man das bevorzugt. Der Zebra-Reflektor bringt hier nichts (gegenüber dem silbernen).
Meist aber wird direkt beschienene Umgebung mit im Bild sein, z.B. als (unscharfer) Hintergrund.
Hier entsteht dann wieder die schon im Studio beschriebene Mischlicht-Situation: Wärmer auf dem Motiv, kälter auf der Umgebung.
Verwendet man hier den Weißabgleich für die Umgebung, erscheint das Modell stärker orange. Meiner Meinung nach wirkt das oft etwas zu unnatürlich.
Aber selbst, wenn man den Effekt mag, gebe ich folgendes zu bedenken: Zum einen lässt sich das heute sehr leicht und viel besser dosiert durch gezielte lokale Änderungen („Weißabgleichspinsel“) in vielen RAW-Konvertern bewirken. Zudem: In den beschriebenen sonnigen Motiven wirkt das Bild meist deutlich besser, wenn dieser sonnige Bereich auch etwas orange wirkt. Dafür aber müßte man den Weißabgleich weiter Richtung „warm“ verschieben, was den Zebrareflektor-Effekt auf der Haut weiter intensiviert und dann definitiv ins unangenehme abdriftet.
Die zweite Option ist natürlich, den Weißabgleich auf das Modell abzustimmen, womit aber die Umgebung zu kalt/bläulich wirkt. Selten das, was man möchte.

Hier sieht man wieder die Wirkung des neutralen Silberreflektors, aber diesmal mit insgesamt angehobenem Kelvin-Wert ("wärmerer" Weißabgleich). Der Hintergrund wirkt deutlich summerlicher, die Haut des Modells ist noch nicht quietschig orange (wie das bei Zebra der Fall gewesen wäre).
Hier sieht man wieder die Wirkung des neutralen Silberreflektors, aber diesmal mit insgesamt angehobenem Kelvin-Wert („wärmerer“ Weißabgleich).
Der Hintergrund wirkt deutlich sommerlicher, die Haut des Modells ist noch nicht quietschig orange (wie das bei Zebra der Fall gewesen wäre).

Auch ich hatte einen großen Zebra-Reflektor. Nach ein paar Testausflügen damit stellte ich aber schnell fest, dass die Wirkung kontraproduktiv ist. Inzwischen habe ich wieder komplett auf neutrales silber bzw. weiß umgestellt. Ich finde Zebra-Reflektoren aus den genannten Gründen over-hyped und überflüssig, oft sogar negativ für die Bildwirkung.
Viel interessanter als die vorhandenen silber-gold-Zebras wäre übrigens meiner Meinung nach eine Variante, die eine leichte Abkühlung der reflektierten Farbtemperatur erreicht. So ließe sich durch deutlich wärmeren Weißabgleich eine viel sonnigere Grundstimmung ins Bild bringen, ohne dass das Modell zu sehr nach „Apfelsine“ aussieht (die Umgebung „braucht“ oft deutlich mehr Aufwärmung als der Hautfarbe guttut),  besonders bei Aufnahmen bei weniger strahlendem Wetter und in Herbst/Winter. Man bedenke, ich wohne & arbeite in Hamburg!

Zum Schluss brauche ich Euer Feedback: Ist das für Euch eine neue Betrachtungsweise? Ergibt sie Sinn und stimmt Ihr mir zu bei meiner Einschätzung und Erklärung? Oder wart Ihr schon selbst auf dieses Problem gestossen? Oder habe ich doch einen Denk- oder Argumentationsfehler in meinen Ausführungen?
Bitte schreibt mir in die Kommentare!

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