Canons Problem mit der EOS 5D Mark IV

Nun wurde sie also endlich angekündigt, die lang erwartete Canon EOS 5D Mark IV.

Die guten Nachrichten zuerst:
Unter der Haube finden sich viele Verbesserungen und Modernisierungen, die man bei einer Kamera der heutigen Zeit aber auch erwarten kann bzw. die die Konkurrenz fast(!) ausnahmslos bereits seit längerem bieten:

EOS 5D Mark IV WITB4 w EF 24-105mm

  • Ein mit 30.4 MP hochauflösender und in der Dynamik verbesserter Sensor (die Technik dürfte die aus der 80D bekannte sein),
  • ein bis -3 LW arbeitender Autofokus (so empfindlich wie der mittlere Sensor bei der EOS 6D),
  • 7 Serienbilder pro Sekunde (allerdings leider nur einen Puffer für 21 RAW-Aufnahmen),
  • 4k-Video bis 30 fps (im absurd speicherhungrigen Format MotionJPEG, was die Funktion fast nutzlos macht),
  • HD mit bis zu 120 B/s (720p),
  • USB 3.0-Anschluss,
  • WLAN & GPS (&NFC),
  • Touchscreen-Bedienung,
  • 4 Einstellungen zur Farbton-Anpassung des Displays (das lese ich zum ersten Mal und soll wohl helfen, den Monitor optisch zu “kalibrieren”).

Weiterhin fehlen jede Art von eigenem AF-Hilfslicht oder ein eingebauter Blitz.

Die große Besonderheit in Canons Neuer ist natürlich die innovative Nutzung des DualPixel-Sensors. Kommt er bisher (und auch hier) als schneller und “weicher” LiveView- und Videoautofokus zum Einsatz, so wird nun erstmals auch die Möglichkeit geboten, in deutlich größeren RAW-Dateien die Information beider Pixelmengen zu speichern. So wird es möglich, ähnlich wie bei der Lichtfeldfotografie den Schärfepunkt nachträglich zu korrigieren (allerdings nur in deutlich engeren Grenzen) oder bestimmte Bildfehler auszumerzen.
Hier eine kurze Vorführung:

Nun aber die schlechten Neuigkeiten:
Canon ist schon lange nicht mehr der alleinige und unangefochtene Marktführer bei digitalen Kameras oder DSLRs. Auch existieren deren Produkte nicht im Vakuum.
Die neue 5er bieten einfach nichts, was es bei der Konkurrenz nicht so oder ähnlich schon länger gibt*. Und kommt dafür einfach zu spät und vor allem: viel zu teuer. Sonys 7er Reihe bieten zu geringerem oder vergleichbarem Preis viele interessante Innovationen. Nikon D810 oder gar D750 bieten ähnliche Gesamtpakete zum (teils deutlich) günstigeren Preis.

*Ausnahme natürlich: Dual Pixel-RAW. Das aber scheint ursprünglich, auch wenn die weiteren Anwendungsfelder spannend aussehen, eine “Lösung” für alte Probleme zu sein: Nichts nervt mich die letzten Jahre mehr, als die Ungenauigkeit und Unzuverlässigkeit der Objektiv- und Kamera-AF-Justagen. Nikon hat da endlich eine gute Lösung gezeigt (mit einem Ansatz, über den ich witzigerweise schon etwas vorher nachgedacht hatte), indem in D500 und D5 der Phasen-Autofokus mit den Daten des prinzipbedingt exakt fokussierenden LiveView-AFs justiert wird. Eine solche Lösung hatte ich mir von Canon ersehnt – im Moment sieht es aber so aus, als ob die 5D Mark IV nicht vergleichbares bietet.
Stattdessen muß man, bei ungenau und schlecht justierten Objektiven (ja, ich bin da aktuell sehr unzufrieden – dazu an anderer Stelle vielleicht mehr) RAW-Daten speichern, die den doppelten Platz belegen und die aktuell nur in der Canon-Software verarbeitet werden können.
Wenn – und falls – anderer RAW-Konverter wie die von Adobe oder Phase One das Feature unterstützen, wird es ein netter “Work Around” mit Zusatzpotential – aber letztlich keine echte Problemlösung. Und bis dahin ist das Feature für ambitionierte Fotografen fast nutzlos (denn kaum jemand möchte längerfristig nur den Canon RAW-Konverter nutzen).

Und das alles möchte Canon in Europa zu einem ziemlich astronomischen Preis verkaufen: 4065 Euro. Das dürfte für viele schlicht zu viel sein. Ein Großteil der Interessenten fand bereits die 5D Mark III zu hochpreisig (mich eingeschlossen). Der Preis fiel dabei auch nur sehr, sehr langsam. Wer als Vollprofi** genug verdient und auf den Preis keinen großen Wert legt, wird dagegen eher zur traditionell sehr hochpreisigen 1er-Serie greifen.
Eine große Käuferschicht scheint Canon aktuell einfach zu verprellen – im Gegensatz zu Nikon, die mit der D750 zusätzlich zur D610 in diesem Bereich sogar noch ausgebaut haben.

Ich glaube, Canon ist mit der Produkt- und vor allem der Preispolitik derzeit gewaltig auf dem Holzweg. Was denkt Ihr!?

** Ja, ich weiß, dass es das Wort eigentlich nicht gibt. 😉 Versteht es als Abgrenzung zum “Semi-Profi”.

14 Kommentare zu „Canons Problem mit der EOS 5D Mark IV“

  1. Irgendwie ist an allem schon bisschen was dran. Andere Hersteller sind da deutlich innovativer. Bei Canon habe ich in letzter Zeit den Eindruck, das man Features nur deshalb endlich einbaut, weils selbst die letzte Chinaklitsche mittlerweile serienmäßig in allen Produkten hat und es sich einfach nicht mehr vermeiden lässt.

    Zumindest ist der Preis für ein Modell, was nichts revolutionär Neues bringt (der DualPixel-Kram ist nett, aber ich sehe das eher als Workaround weil man bestimmte Probleme nicht direkt in den Griff bekommt) sondern eher überfällige Modellpflege mit überfälligen Detailverbesserungen ist, IMHO deutlich überzogen. So macht man der Konkurrenz keine Konkurrenz.

    Über AF-Probleme kann ich erfreulicherweise nicht klagen. Da tut meistens alles was es soll. Und da ich viel Landschaft mache ist da sowieso viel MF im Liveview angesagt… 😉

  2. Unterschrieben. Die Mark IV ist viel zu teuer. Für das Geld bekommt man die bessere Nikon D750 gleich zweimal. Schade aber, denn ich habe einige gute Gläser für meine 6D und möchte die Plattform deshalb nur ungern wechseln.

    Noch zum DualPixel-Feature. Im Web findet man inzwischen vermehrt Beiträge, die davon ausgehen, dass Lightroom das in einer der nächsten Versionen unterstützen wird. Ist mir aber egal. Ich gebe keine 4.000 Euro für eine 5D MK IV aus.

  3. Ich bin absolut deiner Meinung und möchte noch hinzufügen, dass ich die Qualität des Sensors der MKIII im Gegensatz zur D750 wirklich unterirdisch finde. Ich fotografiere noch Canon….aber nur noch bis zum Ende meiner 5DMKIII’s dann ist Schluss! 🙂

  4. Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Wenn man schon Modelle verschiedener Hersteller vergleicht, dann sollte man bisschen auf die Zeitschiene achten. Bei der 5D III wäre dann die D800 das passende Gegenstück, die sind gleich alt. Ein Vergleich mit einer ca. 2,5 Jahre jüngeren D750 kann nur zu Gunsten der Nikon ausfallen. Das sind im Digitalkamerasektor immer noch Welten.

  5. Du liegst völlig richtig MiGel. Canon hat momentan ein sehr schlechtes Management und schafft es nicht zurück in den Ring. Beide Kameras zur Photokina sind 3-4 Jahre zu spät dran und über die neuen Objektive redet keiner. Der Messestand war ebenso jämmerlich wie das Management.

  6. Es ist m. E. klar erkennbar, dass sich Canon im Preis für die 5D IV vergriffen hat. Das ist utopisch, denn was rechtfertigt diesen Preis? Welche Innovation steckt dahinter. Nichts was mich wirklich weiter bringt zu meiner jetzigen 5D III.
    Dualpixelfocus in dieser Form, ist keine Besonderheit und gerade mal ein Bild pro Sekunde mehr. Das alles ist für mich nichts an Mehrwert was den Umstieg auf dieses Modell rechtfertigt.
    Bleibt also der Sensor bzw. die Auflösung. Dafür soviel Geld. Das können andere schon lange und sogar ein Stück besser.

    1. Ich persönlich meine, der für japanische Unternehmen sehr unvorteilhafte Wechselkurs und die Verluste im Kompaktkameramarkt, machen allen Herstellern zu schaffen. Man hat sich bei fast allen japanischen Herstellern im Kameramarkt und Objektivmarkt 2016 entschieden die Preise zu erhöhen.
      Was die Auflösung angeht bietet auch die EOS 5DS R die Möglichkeit mit 50 Megapixeln zu fotografieren. Die 5D IV soll mit Sicherheit kein Argument gegen eine 1DX Mark II sein. Aber es ist schade für Canon und die Kunden in einer solchen Kamera kein Klappdisplay zu bieten, das Video mit so großen Dateiformaten zu liefern und und und.
      Canon versucht immer wieder seine Modellpolitik zu rechtfertigen, indem es irgendetwas Wichtiges in Kameras weglässt. Schau mal bei der neuen EOS M5: was hätte das ein Erfolg sein können mit einem Klappdisplay! Statt dessen versucht man mit dem nach unten klappbaren Ding die D80 zu rechtfertigen oder besser gesagt zu verkaufen…
      Schlechtes Management, zumal man bei Canon wissen sollte, dass es längst bessere Systemkameras gibt als die von Canon. Ich würde alles daran setzen wieder die besten Kameras zu bauen. Aber so wie es ausschaut ist man hier eher bemüht Kunden etwas vorzuenthalten.

      1. Ja, der Wechselkurs. Vielleicht. Aber das ist der kaufmännische Teil. Was ist mit Technik und Innovation? Ich möchte die besten Kameras bauen, diese Absicht/Phisolophie scheint dann auf der Strecke zu bleiben. Das Sagen haben längst andere Strategen, vermutlich die Kaufleute oder schlechte Marketingstrategen. Hätte man sich nicht durch teure Objektive praktisch an den Hersteller gebunden, dann könnte ich anders reagieren als nur enttäuscht zu sein.

  7. Alles richtig!!! Würde ich nicht neun EF-Objektive besitzen, von denen 5 Stück L-Objektive sind, wäre ich wahrscheinlich schon bei Sony gelandet.

  8. Hier in der Schweiz liegt der Preis für die 5D mark IV inzwischen bei 3200.-CHF also ca. 3000.-€, das wäre grundsätzlich ok: Was mich allerdings nervt, dass ist 4K, das doch kein brauchbares 4K ist. Es läuft bei mir nur auf dem Canon eigenen EOS Movie utility. Freunden kann ich es also nicht überspielen, ausser man konvertiert es und dann kann man gleich in HD filmen. Sollte nicht bald ein entsprechender Firmware update kommen, war das nach 5DII, 5DIII und jetzt 5DIV meine letzte Canon, obwohl ich 7 hochwertige L-Objektive besitze, ist das für mich kein Hinderungsgrund. Eine Fuji X-T2 hat – trotz APS-C Sensor eine bessere Bildqualität und vernünftiges 4K zum halben Preis.

    1. Ich sehe jede Menge Menschen wechseln zu Fujifilm und anderen Herstellern. Canon und Nikon sind behäbig, kommen nicht mehr mit der Zeit mit. Ich habe gerade einen Artikel darüber geschrieben auf *fotowissen.eu zum Thema Fujifilm als Canon-Killer und Nikon-Killer. Schaut mal drüber, wenn Ihr mögt.
      Du hast Recht Joe, das sollte alles kein Hinderungsgrund sein. Man kann auch für einige Zeit eine zweite Kamera parallel nutzen, bis man weiß, welche einem die besseren Ergebnisse liefert und dann verkaufen.

  9. Danke für Deinen Bereich über die Kamera. Ich bin im Moment am überlegen, ob ich weiter in Canon investieren soll oder mein System wechsle. Ich denke wie Du – Canon hat den Markt ziemlich komplett verschlafen und ist viel zu teuer. Ich fotografiere Unterwasser mit einer Sony und bin sehr begeistert – bis auf die zu kurze Akkulaufzeit. Ich hatte mir von der MK iV mehr erwartet und bin neben der Mittelmäßigkeit der Bodys inzwischen auch von einigen L-Linsen sehr enttäuscht, die bei “schonendem” Umgang nach kurzer Zeit mechanische Mängel aufweisen.
    Was mich im Moment daran hindert, Richtung Fuji zu schauen, ist die fehlende Unterstützung für meine ProFoto Blitze. Vielleicht kommt das ja noch..

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