Schwarz-Weiß ist keine Kunst!

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“(Akt)fotos finde ich schöner in schwarz-weiß.” Diesen Satz habe ich schon oft von Kunden und Modellen gehört. Aber was steckt dahinter? Warum wird schwarz-weiß so oft als “künstlerisch” und “ästhetisch” empfunden? Und: Ist das nicht alles nur totaler Quatsch?

Sicherlich nicht alles. Schwarzweiß-Aufnahmen haben zum einen das Flair der Klassik – es erinnert an frühere Zeiten, in denen ein Foto noch weniger beliebig und “Gebrauchsgegenstand”, sondern teuer zu fertigendes Individualprodukt war.
Auch nachdem sich der Farbfilm durchgesetzt hatte, bedeutete der Griff zum Schwarzweiß-Film eine bewußte Entscheidung und Einschränkung, also eindeutige Absicht des Künstlers. Sicher ist das noch heute in den Gedanken verwurzelt – wer schwarzweiß wählt, muß das bewußt tun. Das gibt dem Bild “automatisch” einen Wert, rückt es ab von der spontanen und unüberlegten “Knipserei”.
Zudem sehen wir unsere Welt nicht nur in Graustufen – nichtmal im Fernsehen. Wir sehen die Welt in Farben. Was davon abweicht, weicht von unserer bekannten Realität ab – ist also künstlich (nennen wir es mal “Entrückeffekt”). Manch einer setzt das gleich mit Kunst (ich will das gar nicht so verteufeln, in gewisser Weise stimme ich dem sogar teilweise zu).

Wie komme ich also verdammt nochmal dazu, das für totalen Quatsch zu halten!?

Was mich wirklich nervt, ist dieser “Automatismus”!

Schwarz-weiß ist “automatisch” Kunst, Farbe eher nicht. Dabei kann ein Farbfoto mindestens ebenso “künstlerisch” sein.
Natürlich muß man damit leben, die oben genannten Automatismen beim Farbbild nicht zu haben. Es ist also IMHO viel schwieriger, den Betrachter davon zu überzeugen, nicht nur einen schnellen Schnappschuss zu sehen.

Das gelingt durch gezielte Lichtführung, bewußte Bildkomposition und -das will ich nicht herunterspielen- vor allem durch Farblooks. Letztere sorgen für den schon beschriebenen “Entrückeffekt”.

Dann aber wird der Aufwand belohnt: Ich schätze die Komplexität, die ein Farbbild hat. Die weitere Dimension an Stimmung und Vielschichtigkeit, die die Kolorierung beschert. Ich mag die subtilen Nuancen, die man entdecken kann und die (unterbewussten) psychologischen Effekte, die bestimmte Farben und Farbkombinationen auslösen.
Ich bin Farb-Fan.


Ich weiß aber auch, wo Schwarz-Weiß seine Stärken hat. Und verstehe deshalb, warum es Leute auf beiden Seiten des Bildes gibt, die das lieben. Es ist geradliniger, einfacher, direkter. Es stellt Symmetrie, Formen und Strukturen mehr in den Vordergrund. Es betont Lichtführung. Es ist ein bißchen die “Holzhammer-Methode”. Darum ist das “Entweder Oder” Quatsch. Es gibt Motive, bei denen sw einfach besser passt. In den meisten Fällen aber mag ich es mehrdimensionaler.

Wie ist das bei Euch? Mögt Ihr lieber sw oder Farbe oder beides und: warum?

10 Kommentare zu „Schwarz-Weiß ist keine Kunst!“

  1. Ach Michael, Du sprichst mir ja so aus der Seele. Ich bin ebenfalls bekennender Farbfan, zumal ich als Zeitungsfotografin Jahrzehnte unter dem Zwang zur SW-Fotografie gelitten habe. Doch heute ist es so selten, dass jemand ein Plädoyer für die Farbe hält. Umso mehr habe ich mich über diesen Blogpost gefreut.
    LG Susanne

  2. Ich finde Farbe auch immer enorm wichtig! Aber ist natürlich Geschmackssache. Hin und wieder sehen SW-Bilder auch top aus.
    Aber das ist eher eine Seltenheit – finde ich!
    Gruß 🙂

  3. hi,
    Ich denke, dass SW oder Farbe generell ein guter Streitpunkt ist.
    Allerdings sehe ich das so, dass man mit beiden Elementen einen großartigen künstlerischen Wert in seinen Bildern erreichen kann, wenn man sich genug Mühe gibt!
    Wobei die Mehrheit der Menschen heutzutage eher zu SW tendieren, was aber nichts mit dem entgültigen künstlerischen Wert, den man damit erreichen kann zu tun hat.
    Sondern eher damit, dass viele Menschen nicht wissen wie sie einen bestimmten Effekt erzielen können, egal welches Medium sie benutzen.
    LG

  4. Bilder entstehen nicht In der Kamera, sondern in unserem Bewusstsein. (sagen mal nur zur Vereinfachung: in unserem Gehirn) Je weniger Informationen die äußere “Vorlage” – also das Foto – liefert, desto mehr muss sich das Gehirn dazudichten, um etwas Greifbares, besser gesagt, etwas Be-Greifbares zu produzieren.
    Tatsächlich ist nur ein sehr kleiner Teil unseres gesamten Sichtfeldes wirklich scharf. Auf der Netzhaut unseres Auges befindet sich die sog. Fovea centralis (auch Sehgrube genannt) mit ca. 1,5 mm Durchmesser mit einer “Auflösung” von ca. 150.000 Rezeptoren pro mm², während auf der übrigen Netzhaut nur mit ca. 5.000 Rezeptoren “gesehen” wird. Der gesamte Rest ist also ziemlich unscharf und liefert insgesamt nur einen Bruchteil an Bilddatendaten pro Quadrant als der hochempfindliche Fokusbereich. Und – wer hätte das gedacht – nur die zentrale Sehgrube liefert die vollen Farbinformationen!
    Das bedeutet, dass unser Sehorgan (bestehend aus Auge und den dazu gehörigen visuellen Projektionszentren des Gehirns) zuzusagen ab Werk dazu konstruiert ist, mit einer minimalen Übertragungsbandbreite (was so ein Sehnerv halt schafft) ein Maximum an Präsentationsbandbreite zu generieren. Intelligent Compression sozusagen. Der gesamte Rest wird durch kurz- und langzeitige Erinnerungseindrücke und der damit verbundenen Assoziationen nahtlos und verzögerungsfrei zusammengesetzt. Das Ergebnis ist unser gewohntes tägliches Sehen ohne wahrnehmbare Störungen im Bildfluss.
    Aber das Bild, was wir sehen, besser gesagt, was wir meinen zu sehen, ist in Wirklichkeit eine Art Realitäts-induzierte Virtualisierung – also wenige % reale Wahrnehmung und der notwendige große Rest ist Interpretation des Sehzentrums.
    Daher neigen wir Menschen auch häufig zu visuellen Fehlintepretationen und gehen automatisch optischen Täuschungen auf den Leim. Beim Träumen ist das visuelle Zentrum vollständig vom Sehorgan abgekoppelt und liefert trotzdem hinreichend eindrucksvolle Szenarien.
    Kommen wir zum Thema zurück: Dass dem dem Schwarzweiß-Bild die Farbinformationen fehlen, gibt der virtuellen Projektionskomponente unseres Sehorgans nun mehr Freiraum für eigene Interpretationen. D. h. hier kann dann auch auch die ganz individuelle Fantasie des Betrachters mehr zum Tragen kommen. Man denke hier auch z. B. an abstrakte Kunst, bei der die Aussage des Bildes durch gezielte Reduktion der Interpretationsfähigkeit des Betrachters anheim gestellt wird.
    Insofern ist die künstliche Reduktion auf den Grautonumfang eines Bildes immer eine interessante Möglichkeit, die Fantasie des Betrachters in das Bild mit einzubringen. Das macht die Sache so spannend!
    Kommen wir zu einem durchaus praktischen Aspekt: Da die Fantasie (bleiben wir auch hier mal bei dieser verbalen Vereinfachung) ähnlich wie ein Muskel trainierbar ist, ist ein gutes Schwarzweißfoto durchaus so etwas wie Hantelraining für dieses enorm wichtige Organ. Immerhin unterscheidet es uns unsere Fantasie von den niedrigeren Lebensformen auf dieser Kugel und hilft uns Menschen, die Welt mit anderen – in diesem Fall mit unseren inneren Augen – zu sehen.

  5. Moin Michael,
    wie Du schon schreibst, hat beides seine Faszination. Manchmal habe ich Lust und tendiere mehr zu Schwarzweiß und dann gibt es Tage in denen ich wieder Farbe präferier. Bei Schwarzweiß finde ich immer wieder toll, das man sich meiner Meinung nach mehr auf den Ausdruck konzentrieren kann, die Mimik und Emotion und durch keine Farben abgelenkt wird.

    Viele Grüße aus Lübeck
    André

    1. Moin André,
      Du hast völlig Recht, Schwarzweiß ist oft “schnörkelloser” und direkter.
      Ich hingegen mag es oft etwas komplizierter und indirekter bei Fotos. Gerade heute, dank schnellebigem “Social” Media, darf ein Bild für mich ruhig länger brauchen, bis man alle Wirkungen erfasst hat. So kann man es nicht so schnell beiseite legen. Natürlich kann man auch umgekehrt argumentieren, dass es dann nicht schnell genug wirkt und man sich gar nicht erst damit beschäftigt. Aber das ist eine Einstellungsfrage, für den Wegwerf-Konsumenten ohne Zeit und Muße möchte ich eh nicht produzieren. 😀

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