Field-Review: (die verhasste Kamera)…die ich liebe

Oder: Die Canon EOS 6D* in der Praxis, Teil 2.

Da ich inzwischen an meine schwere 1er gewöhnt bin (und vorher an die 5D mit Batteriegriff), ist das geringe Gewicht der EOS 6D* eine echte Wohltat. Zusammen mit der Größe kommt einem die Kamera für eine (halbwegs) professionelle DSLR sehr handlich vor. Was das angeht, erinnert sie mich doch sehr stark an meine alte EOS 40D. Ich hatte eigentlich 95% der Zeit das 50mm 1.4 USM* dran –  eine tolle, gut tragbare Kombi.

Canon EOS 6D Field-Test Productshot 2 MiGel

Da sind wir auch schon beim zweiten sehr wichtigen Punkt. Den Titel “Nachtsichtgerät”, wie in manche Fotomagazine für die 6D* vergeben haben, passt für mich ziemlich perfekt. Die ISO-Einstellungen gehen bis maximal 102.400. Und diese Einstellung ist … völlig unbrauchbar. Das gleiche kann man eigentlich über ISO 51200 sagen.

Canon EOS 6D High ISO Example 3 MiGel Field-Test
nur (farbiges) Umgebunslicht, Bild direkt aus RAW entwickelt; 1/50s, f4, ISO 25600, 45mm mit IS

Ganz anders sieht es erstaunlicherweise mit ISO 25600 aus. Rauschen die Bilder? Oh ja, natürlich. Aber: für sehr viele Anwendungen (Reportage, Making ofs oder Darstellung im Web) ist die Qualität völlig ausreichend! Ich habe ein Making of auf A4 direkt aus der Kamera gedruckt. Gemacht wurde das bei einem Canon-Event in der Ice-Bar des Indochine. Es war ziemlich dunkel dort, Hauptlicht waren ein paar farbige Lichter an den Wänden des recht großen Raums. So ein Foto hätte ich mit früheren Kameras entweder gar nicht machen oder direkt wegwerfen können.

Dazu kommt: Wer sich mal etwas damit auseinandergesetzt hat wird wissen, dass die Stärke des Rauschens stark von der richtigen Belichtung und dem Spektrum des Lichts abhängt. Auch hier hat mich die 6D* sehr positiv überrascht. Das Belichtungsmessssystem ist das beste, dass ich bisher erlebt habe. Selbst bei Motiven, bei denen ich eine starke Fehlbelichtung gewohnt bin, versagte die 6D nur selten und gab mir fast immer Belichtungen, die auf den Punkt passten. Das macht auch die Arbeit mit hohen Empfindlichkeitswerten viel besser, weil selten noch aufgehellt werden muß (das würde das Rauschen ordentlich verstärken).

Canon EOS 6D High ISO Example 4 MiGel Field-Test
A4-Ausdruck des RAWs direkt aus der Kamera; Joypad zum Größenvergleich

Auch beim Schein lediglich 1 Teelichts (!) habe ich mit der 6D*, dem 50 1.4 USM* und einer Einstellung von ISO 10000 ein für mich absolut unbedenklich verwendbares Portrait produzieren können (leider kann ich es hier aus rechtlichen Gründen nicht zeigen). Auch mit dem eingeschränkten Lichtspektrum gibt es also keine größeren Probleme. TOLL!

Na ja, was nützt die tolle Bildqualität, wenn die Kamera nicht scharf stellen kann? Der Autofokus des handlichen Vollformaters hat ja dank der technischen Daten einen schlechten Ruf. Ich hatte mir selbst nicht viel davon erwartet, ausgehend von dem AF der 5D und 5D Mark II. Ich hatte Unrecht! In meinen Tests war der Autofokus sehr sicher und vor allem bei wenig Licht bombastisch. Selbst die äußeren Felder überzeugten mit guter Treffsicherheit und recht starker Toleranz für wenig Licht. Wenn es eng wurde, war dann aber schon Ausweichen auf die Mitte angesagt. Der dortige Kreuzsensor stellte dann aber eigentlich IMMER scharf. Mit der Festbrennweitenkombination gab es nur eine Sorte Motive, die nicht scharfgestellt und fotografiert werden konnten: die, die ich schon nicht mehr sehen konnte.

Canon EOS 6D High ISO Example 1 MiGel Field-Test
spät nachts, sehr spärliche Beleuchtung im Aussenbereich eines Restaurants; Bild direkt aus RAW entwickelt, 1/40s, f2, ISO 8000, 50mm
Canon EOS 6D High ISO Example 2 MiGel Field-Test
sehr knapp beleuchteter Raum bei einem abendlichen Gruppentreffen; Bild direkt aus RAW entwickelt, 1/40s, f2, ISO 10000, 50mm

 

Mein persönliches Fazit zu Autofokus und Bildqualität: Nachtsichtkamera. Mit einer lichstarken Festbrennweite wie dem 50mm 1.4 USM* ist die Kamera handlich und macht auch im Dunklen sehr brauchbare Aufnahmen. Eine Kamera, die man in jeder Situation dabeihaben kann. OK, eine Sportkamera ist sie vielleicht nicht. Aber hat das jemand erwartet?

Die besonderen Features der Kamera sind für mich weniger ausschlaggebend. WLAN funktioniert gut, ist aber doch recht kompliziert und zickig beim Einrichten. Hat man die Hürde genommen, geht es aber gut und fix. Die Möglichkeit, das Live-Bild auf dem Smartphone oder Tablet zu sehen und die Kamera auch so auszulösen, eröffnet tatsächlich ganz neue Möglichkeiten. Zum Beispiel für Szenen, in denen man selbst (teilweise) ins Bild will. Ich kenne jetzt schon 2 Fotografinnen, die mit solchen Bildern (aber noch ohne WLAN) ihre internationale Karriere begonnen haben… Nettes Feature.
GPS funktionierte in meinen Tests eher schlecht. Der Akkuverbrauch war hoch und die Kamera brauchte SEHR lange, bis ein Fix zustande kam. Ich habe das aber nicht sehr intensiv getestet, das mag ein Einzelfall oder inzwischen per Firmware verbessert worden sein.

Ich hatte die Kamera übrigens eine gute Woche.

Canon EOS 6D Field-Test Productshot 3 MiGel

Wie seht Ihr das denn? Was haltet Ihr von der Kamera? Habt Ihr vielleicht selbst eine? Wie ist Euer Eindruck? Könnt Ihr aussagekräftige Beispielbilder beitragen?

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7 Kommentare zu „Field-Review: (die verhasste Kamera)…die ich liebe“

  1. Ich habe mir vor einiger Zeit eine gebrauchte 5DII für recht günstiges Geld kaufen können und bin damit zufrieden – zumindest kann die Kamera mehr als ich ;).

    Aber an der 6D hört sich schon einiges was du geschrieben hast sehr gut an und WLAN kann schon mal sehr brauchbar sein. Ich denke an dem integriertem GPS hätte ich im Urlaub auch meine Freude, zumindest wenn das nicht zu viel Strom verbraucht.

    Ich denke wenn ich eine 6D hätte wäre ich damit sehr zufrieden und würde die durchaus behalten.

  2. Schöner Artikel!

    Ich habe mir die 6D als Backupkamera für unsere Hochzeiten und als Kamera für meine Frau geholt. Die Hauptkamera ist eine 5DIII – Im direkten Vergleich ist das Gewicht wirklich sehr viel angenehmer. Das der Auofokus abgespeckter als der der 5D ist merkt man kaum, da er einfach trotzdem funktioniert 🙂 Der große Unterschied kommt jedoch wirklich abends zum Vorschein. Wo die 5D noch den Fokus sucht, hat die 6D ihn schon gefunden und das Bild gemacht. Das ist wirklich gut.

  3. Hey MiGel,

    wenn ich mir mal eine neue Kamera zulege, werde ich mich vorab in diesem Fotoblog informieren!
    Die Canon EOS 6D macht in der Tat unglaubliche Fotos, diese Digital-SLR Kamera ist jeden Cent wert. Gut, 1.599,00 € sind natürlich auch eine Hausnummer, dafür bietet sie aber unglaubliche 20 Megapixel!
    Darf ich deine Bilder eigentlich auch hin und wieder auf Pinterest mit meinen Freunden teilen? Es gibt bestimmt viele Leute, die deine Fotokunst bewundern und mehr tolle Bilder sehen möchten. Dein Bekanntheitsgrad steigt dadurch ebenfalls an, also: würde mich freuen!

    Leider bin ich gerade zeitlich sehr eingebunden, würde deine gesamte Fotokollektion am liebsten schon gleich ansehen. Vermutlich habe ich erst nächste Woche wieder mehr Zeit, so lege ich mir den Michael-Gelfert Blog in meine Favoriten ab und komme später wieder.
    Auf dem Gebiet der Fotografie muss ich nämlich noch viel lernen, möchte einfach typische Fehler vermeiden und Fotos in brillianter Qualität machen – so wie Du.
    Mit mit welcher Software bearbeitest Du die Fotos, wenn ich fragen darf?

    Danke schonmal.

    Lg. Merida

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